Axel Voss - Freier Journalist

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Heinz Rühmann zum 100. Geburtstag

 Erschienen am 1.3.2002 in der Rhein-Zeitung

Kleiner Mann - ganz groß

Zwischen seinem ersten Tonfilm "Die Drei von der Tankstelle" (1930) und seinem letzten Auftritt als Taxifahrer in Wim Wenders "In weiter Ferne, so nah!" (1993) lag ein langes Schauspielerleben voller Höhen und Tiefen, in dem es jedoch eine Konstante gab. Hinter vielen allen Rollen, die Heinz Rühmann verkörperte, verbirgt sich der "kleine Mann", der mit leisen Tönen gegen "die da oben" aufmuckte. Am 7. März wäre er 100 Jahre alt geworden.

Obgleich die Töne leise, waren sie für die meisten Zuschauer doch unüberhörbar. In vielen Rollen erkannten sie sich selbst wieder. Rühmann brauchte zum Publikumsliebling weder das Draufgängertum eines "blonden Hans" Albers noch bonvivante Eskapaden eines Frauenhelden wie O.W. Fischer. Das ist wahrscheinlich der wesentliche Grund, warum Heinz Rühmann Deutschlands beliebtester Schauspieler war und ist. Beliebt und bekannt wurde Rühmann durch seine Paraderollen im Film, wie den Hans in "Die Drei von der Tankstelle", als "Braver Soldat Schweijk" und natürlich als Schöhler Pfeiffer mit drei Eff in der unvergessenen "Feuerzangenbowle".
Geboren wurde Heinrich Wilhelm Hermann Rühmann, so der bürgerlicher Name,  in Essen, in der Kettwiger Straße 1. Die Eltern, Hermann und Margarethe betrieben in Wanne bei Herne eine Bahnhofswirtschaft. Aus Rühmanns Kindheit und Jugend ist kaum etwas bekannt. Sogar der große Mime selbst berichtet in seinen 1982 erschienenen Lebenserinnerungen "Das war's" nur wenig aus der Zeit. Die hängt möglicherweise damit zusammen, dass Rühmanns Jugend durch ein trauriges Ereignis geprägt war. Sein Vater übernahm 1913 das große Hotel ‚Handelshof' in Essen, richtete es in nur drei Jahren wirtschaftlich zugrunde. Seine Frau verlangt die Scheidung, der sich Rühmanns Vater 1916 durch Freitod entzieht.
Im gleichen Jahr zieht Margarete Rühmann mit Heinz, seinem zwei Jahre älteren Bruder Hermann, der 1904 geborenen Schwester Ilse nach München. Rühmann will unbedingt zum Theater, verläßt noch vor dem Abitir die Schule. Seine Mutter fianziert ihm die Ausbildung bei Fritz Basil, während derer etwas Unerwartetes passiert.  Basil paukte mit ihm die Rolle des Bleichenwang aus "Was Ihr wollt", als plötzlich Besuch von Richard Gorter auftauchte, der in Breslau das Thalia- und das Lobe-Theater betrieb. Gorter wollte den jungen Rühmann auf der Stelle engagieren. Basil: "Meine Schüler sind entweder eine Stunde oder zwei Jahre bei mir. Herr Rühmann probt aber erst sechs Monate unter meiner Leitung. Außerdem ist er zu jung!"
Nun waren die Breslauer Bühnen zu der Zeit eine Art Sprungbrett zu den großen Theatern in Berlin oder auch München. Käthe Gold und Berta Drews wurden in Breslau entdeckt. Basil wollte seinem Schützling die Chance nicht verderben, gab schließlich nach, Rühmann hatte sein erstes Engagement und debüttierte am 21.6.1920 mit der Rolle eines namenlosen Arbeiters in Hauptmanns Rose Bernd am Lobe-Theater. Eine Kleinstrolle. Ganze zwei Sätze hatte er zu sagen!
Es folgten Anstellungen am Residenztheater in Hannover, wo er Theo Lingen kennen und von ihm den Stepptanz lernte, Engagements in Bremen und Braunschweig und wieder daheim in München.
Rühmanns große Zeit an den Kammerspielen im Schauspielhaus hatte begonnen. Seine Erfolge bleiben  der Theaterlegende Heinz Hilpert in Berlin nicht verborgen. Hilpert holte ihn 1929 an Deutsche Theater, wo Rühmann eine Glanzrolle als Junker Schmächtig in "Die lustigen Weiber von Windsor" hinlegte. Auslöser einer Kettenreaktion. Erich Pommer wird auf Heinz Rühmann aufmerksam und engagiert den jungen Schauspieler für seinen ersten Tonfilm "Die Drei von der Tankstelle". Der Streifen erweist sich als Bombenerfolg, nicht zuletzt durch die Zugferde Lilian Harvey, Olga Tschechowa, Willy Fritsch und Oskar Karlweis. Aber auch Rühmann ist nach der Uraufführung am 15.9.1930 Tagesgespräch in Berlin und dreht in den folgenden Jahren mit vielen Regisseuren von Rang und Namen, darunter Ophüls, Kortner und Gründgens. Zahlreiche Stars stehen neben Rühmann vor der Kamera: Jenny Jugo, Lizzi Waldmüller, Oskar Sima, Hans Moser und der unvergessene Hans Brausewetter. Ein Film verdient besondere Erwähnung: "Der Mann, von dem man spricht", entstanden 1937 unter der Regie von E.W. Emo. Hier spielt Rühmann einen Zoologiestudenten, der Zirkusluft schnuppert. Eine Erfahrung mit weitreichenden Folgen, wenngleich sich diese auch erst Jahrzehnte später einstellen sollen.
Es war die glanzvolle UFA-Zeit. Es war aber auch die Zeit, zu der dunkle Wolken am politischen Himmel heraufzogen. Die Nazis waren an der Macht und Rühmann war mit einer Halbjüdin verheiratet. Nach einem Gespräch mit Reichspropagandaminister Josef Goebbels - eingefädelt durch Gründgens - trennt sich Rühmann von seiner ersten Frau Maria Bernhaim, die er 1924 an den Kammerspielen in München kennen gelernt hatte.
Rühmann und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus konnte nie, und wird nie, zweifelsfrei geklärt werden können. Er drehte während des Krieges 10 Filme, darunter 1944 auch die unvergessene "Feuerzangenbowle". Manche Kritiker warfen ihm Mitläufertum vor. Wahrscheinlich zu Unrecht. Denn gerade Rühmanns Rolle als Schöhler Pfeiffer (mit drei F) unterhöhlten die Obrigkeit, machten die Obrigkeit, vertreten durch die Schule, lächerlich. Nein, Rühmann versuchte den gebeutelteten Deutschen während des Krieges ein wenig Beschaulichkiet und Heiterkeit zu geben.
Nach dem Krieg hatte Rühmann eine folgenschwere Idee. Die deutsche Filmindustrie lag am Boden, an Engagents war nicht zu denken. Also beschloss er, die Sache sebst in die Hand zu nehmen und gründete 1947 mit Alf Teichs, dem früheren Produktionschef der "Terra" eine eigene Fimproduktionsgesellschaft, die "Comedia". So groß Rühmanns Talent als Schauspieler war, so katastrophal erwiesen sich seine Fähigkeiten als Unternehmer. Die "Comedia" produzierte insgesamt fünf Filme, alle Flops. 1951 meldete das Unternehmen Konkurs an. Rühmann hatte sich über beide Ohren verschuldet. Es sollte bis 1959 dauern, um den riesigen Schuldenberg abzutragen. Rühmann stand am Tiefpunkt seiner Karriere. Pleitiers waren im Filmgeschäft nicht gerne gesehen, Angebote blieben zunächst aus. Doch der Hamburger Filmproduzent Gyula Trebitsch hatte Rühmanns Potenzial als Kassenmagnet nicht vergessen und engagiert ihn für "Keine Angst vor großen Tieren". In diesem Film spielte Rühmann den schüchternen Technischen Zeichner Emil Keller, der eine Gruppe Zirkuslöwen erbt. Der Versuch, die Tiere verkaufen schlägt fehlt. Also tritt er selbst als Dompteur auf, wobei ihm die Zirkuserfahrung von 1937 sehr zu gute kamen. Der Streifen war ein Riesenerfolg und zweifellos der Grundstein für Rühmanns Nachkriegskarriere mit filmischen Glanzlichtern wie "Der Hauptmann von Köpenick" (1954), "Der brave Soldat Schwejk" (1960) oder "Das Haus in Montevideo" (1963), der Komödie von Curt Goetz, in der Rühmann den sittenstrengen Traugott Nägele spielt, der ein Freudenhaus erbt. Mit diesen Rollen hat Heinz Rühmann sich in die Herzen eines Millionenpublkums gespielt.
Rühmann ausschließlich mit dem deutschen Film zu assoziieren wäre ein fataler Irrtum. Weniger beachtet, aber nicht minder gekonnt gespielt, war die Rolle in Rühmanns einziger Hollywood Produktion "Das Narrenschiff" (1965) unter der Regie von Stanley Kramer nach dem Roman von Katherine Porter. Die Rolle des jüdischen Handlungsreisenden Julius Löwenthal auf einem deutschen Frachter im Jahre 1933 ist gekennzeichnet durch den Filmsatz: "In Deutschland leben eine Million Juden. Was wollen die denn mit uns machen? Uns etwa alle umbringen?" Geduld und Nachsicht selbst mit den übelsten Peinigern, vorsichtiges Aufmucken. Kein Schauspieler hätte die Rolle treffender spielen können. Bei allen Erfolgen ist Heinz Rühmann immer ein bescheidener Mensch geblieben. Er starb am 3.10.1994. Zu seinem 100. Geburtstag hätte er sicher gesagt: "Nun nehmen Sie das mal nicht so wichtig."