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Axel Voss - Freier Journalist

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Marken die Umgangsspache wurden

Tatsächlich, viele Marken sind über die Jahre Umgangssprache geworden, ohne das wir uns dessen immer bewußt sind. Lesen Sie dazu einen Artikel von mir, der am 31.1.2004 in den Kieler Nachrichten erschien. Daraus entstand auch eine kleine Artikelserie - “geschützte Arten” - für die Financial Times Deutschland. Diese Serie finden Sie hier.

Kaum zu glauben, aber wahr: Friseursalons, genauer gesagt, ihr unmittelbares Umfeld haben nachhaltig in die Kultur der deutschen Sprache eingegriffen! Sie runzeln die Stirn? Es ist so! Denn unsere Sprache kennt Begriffe, die eigentlich Markenzeichen sind, die aber längst Umgangssprache geworden sind, die uns wie selbstverständlich über die Lippen kommen. Wäscht und fönt der Friseur, begibt er sich markenrechtlich in eine Grauzone, es sei denn, er nutzt einen Haartrockner der Firma AEG, denn diese ließ sich vor mehr als 100 Jahren den Begriff Fön als Markenzeichen schützen. Gleichwohl hat sich der Begriff Fön umgangssprachlich für Haartrockner jeglicher Art durchgesetzt. Und nicht nur der Fön, zahlreiche andere Marken haben über die Jahre Eingang in die Umgangssprache gefunden.
Höfliche Friseure bieten ihren Kunden bisweilen eine Erfrischung an. Bitten diese dann um ein Glas Selters, bekommen sie widerspruchslos meist irgendein Mineralwasser. Die Herkunft des Durstlöschers spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Und wie serviert der freundliche Meister das Glas Selters? Vermeintlich auf einem Tablett aus Plexiglas. Gesichert ist das jedoch nicht. Der deutsche Chemiker Otto Röhm ließ sich 1933 unter dem Namen Plexiglas ein Verfahren zur Polymerisation von Methyalacrylat patentieren. Heraus kam ein transparenter, bruchfester Kunststoff, der aus unseren heutigen Leben kaum noch wegzudenken ist. Allerdings werden umgangssprachlich alle möglichen durchsichtigen Kunststoffe fälschlicherweise als Plexiglas bezeichnet. Sehr zum Ärger des Degussa-Konzerns, dem die Rechte an der Marke gehören.
Möchte der Kunde lieber eine Tasse Kaffee, begegnet der Figaro erneut einer Marke, ohne es, wie die meisten Menschen ebenfalls, auch nur zu ahnen: der Filtertüte, geschütztes Markenzeichen der Firma Melitta.
Schwappt ein wenig Kaffee über, kommt sofort eine Marke zum Einsatz, die praktisch zum Synonym für das Papiertaschentuch geworden ist: Tempo. Der weiß-blau verpackte Klassiker hat in Deutschland den sagenhaften Bekanntheitsgrad von nahe zu 100%. Sein Hersteller sieht es mit einem lachenden und weinenden Auge. Pressesprecherin Nina Knecht von Procter & Gamble meint: "Natürlich freuen wir uns über den Erfolg und Bekanntheitsgrad der Marke Tempo. Allerdings stört es uns, wenn Tempo mit Papiertaschentuch gleichgesetzt wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind wir diesbezüglich von der Realität eingeholt worden. Allerdings steht Tempo für einen Qualitätsstandard, der nicht mit jedem x-beliebigen Papiertaschentuch gleichzusetzen ist.”
Dass Papiertaschentücher in Cellophan eingewickelt werden, ist in höchsten Maße fraglich, genauso wie der Emmentaler an der Käsetheke. Cellophan ist zwar der markenrechtlich für den Chemie-Konzern Höchst geschützte Name für ein durchsichtiges Zellulosepapier, abgeleitetet aus Zellulose und “diaphan” (griechisch für durchsichtig), hat sich aber im allgemeinen Sprachgebrauch als Bezeichnung für durchsichtige Folien aller Art entwickelt.
Nun könnte man denken, dass die Mechanismen die eine Marke Umgangssprache werden lassen, hauptsächlich durch Werbung verursacht sind. Das stimmt  jedoch nur teilweise.
Prof. Dr. Ulrike Hass, Sprachwissenschaftlerin beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim: “Natürlich spielt massive Werbung auch eine gewisse Rolle für den Erfolg und die Verbreitung einer Marke. Die gab es aber, als z.B. Tempo vor 75 Jahren auf den Markt kam, jedoch noch nicht mit der heutigen Penetranz. Der Erfolg für die Marke Tempo lag daran, dass es sich um ein absolut neues Produkt handelte und dass in weiten Kreisen der Bevölkerung ein enormer Bedarf für das Produkt bestand. Ebenso wichtig ist ein griffiger, einprägsamer Name, der in die Zeit passt.”
Interessant ist auch, dass manche Marken die Sprachbarrieren überwinden, andere hingegen nicht. Die Abkürzung PC für Personal Computer, eine Marke von IBM, wird in aller Welt als Synonym für die Rechenknechte verstanden, egal von welchem Hersteller sie stammen. Die Russen kennen das Wort Fjen als Ableitung von Fön. Wer in den USA dagegen nach einem Tempo fragt, erntet Unverständnis. Indes weiß jedes amerikanische Kind, was ein Kleenex ist, nämlich das US-Gegenstück zum Tempo. Kleenex, eine Marke des Konzerns Kimberley, hat in den USA so intensiv Eingang in die Umgangssprache gefunden, dass das Wort sogar von der Rechtschreibprüfung gängiger Textsoftware erkannt wird.
Erfolg und Gefahr für den Erfolg liegen dicht beieinander. Sobald die umgangssprachliche Bedeutung die Identifikation der Marke übersteigt, bekommen die Hersteller Kopfschmerzen, denn die Marke wird nicht mehr mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht. Sie verwässert und verliert die Identifikation mit dem Hersteller. Bliebe noch anzumerken, dass es eine international verständliche Waffe gegen Kopfschmerzen gibt. Die vom deutschen Chemiker Felix Hoffmann synthetisierte Salicylsäure, die für die Bayer AG 1899 unter dem Namen Aspirin patentiert wurde. Seit der Patentschutz für Aspirin abgelaufen ist, gibt es hunderte von Mitteln gegen Kopfschmerzen, die alle den gleichen Wirkstoff enthalten und unter diversen Namen vermarktet werden. Man muß sie nicht alle kennen. Verlangt der Kunde eine Packung Aspirin, bekommt er ein Kopfschmerzmittel, egal ob in Deutschland, in Russland, den USA, Japan oder sonst wo auf der Welt.