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Axel Voss - Freier Journalist

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Geheimnisvolle Unikate. Über Louis Vuitton

 Erschienen am 6.2.2004 in der Financial Times Deutschland

Geheimnisvolle Unikate

Die Straßenfront im Pariser Vorort Asniére ist unscheinbar. Eine weiß gekalkte Mauer. Auch der Eingang selbst erweist sich als ungemein unauffällig. Ein großes Schild mit dem Firmennamen fehlt. Es wäre auch überflüssig, denn wer hierher kommt, reist auf ausdrückliche Einladung an. Nur das etwa 5mm hohe und 30mm breite Schild neben dem Klingelknopf aus Messing kündigt an, was den Besucher hier erwartet: Das Haus Louis Vuitton, Koffermacher seit 1854. Es feiert in diesem Jahr also sein 150jähriges Bestehen. Allerdings entspräche die alleinige Bezeichnung Koffermacher nicht der Realität. Vuitton macht weit mehr als nur Reisegepäck, hängt diese Aktivitäten indes nicht an die große Glocke. Das ist auch nicht notwendig, denn Insider wissen, dass die Franzosen schon mal einen Aktenkoffer als Unikat herstellen: Für den, der seinen Weg (und hinreichend Geld) gemacht hat, und dem Ware von der Stange, seien die Namen auch noch so exklusiv, eben nicht exklusiv genug ist. Indes sind Geld und Ruhm keine Garanten, das Objekt der Begierde auch wirklich zu bekommen. Das normale Lieferprogramm kann jedermann in den Shops des  Herstellers von Luxus-Waren kaufen.
Wer die individuelle Einzelanfertigung sein Eigen nennen und eine Einladung in die Werkstätten, sowie in das Allerheiligste, das Firmen-Museum erhalten möchte , muß Hürden überwinden. Wie hoch diese sind, ist schwer einzuschätzen. Michael Steltzer, Inhaber der Eventagentur “Flying Colours” aus Berlin: “Vor Jahren habe ich meiner Freundin eine Vuitton-Handtasche zum Geburtstag geschenkt, weil Design und Machart einfach zeitlos elegant sind. Kurz danach wollte ich für mich selbst eine individuelle Golf-Tasche. Vuitton hat sie als Unikat angefertigt. Indes ist mir nicht völlig klar, welche Spezialaufträge Vuitton akzeptiert, welche nicht.”
Lothar Meyer-Mertel, Verantwortlicher für Stadtmarketing in Halle an der Saale, konnte sich mit der eher schnöden Tasche für seinen Laptop nicht anfreunden und ließ sich ein edles Transportgehäuse für den mobilen Rechenknecht anfertigen. Mit separaten Fächern für Maus und Disketten. “Dass Vuitton sich mit einem so vergleichsweise profanen Sonderauftrag beschäftigt, hatte ich eigentlich nicht erwartet”, so Meyer-Mertel.
Mit ihren Einschätzungen treffen Steltzer und Meyer-Mertel nur fast ins Schwarze. Selbstverständlich lehnt Vuitton Aufträge, die zur Firmenphilosophie passen, nicht ab.
Patrick Vuitton, Nachkomme des Firmengründers in 6. Generation, ist ein Franzose, wie er im Buche steht. Modisches, jedoch nicht übertriebenes Maßjackett, dezente Krawatte. Der schlanke junge Mann erklärt freundlich: “Louis Vuitton hat vor 150 Jahren durch die Verwendung von imprägniertem Segeltuch das Reisegepäck revolutioniert. Neben der Serienfertigung ist es indes seit eineinhalb Jahrhunderten unser erklärtes Ziel, jeden Sonderwunsch zu erfüllen, sofern er einen Bezug zum Reisen hat.”
Und es klingt keinesfalls arrogant, wenn er augenzwinkernd hinzufügt: “Und sofern Produkt und Kunde zusammen passen. Exklusive Produkte erfordern auch exklusive Kunden.”
Da kann es schon vorkommen, dass die Fertigung etwas länger dauert, nicht nur, weil diese fast ausschließlich in Handarbeit geschieht. “Vor ein paar Jahren wollte ein Kunde partout einen Schrankkoffer aus Aligatorenhaut haben. Wir haben -selbstverständlich unter Berücksichtigung des Artenschutzabkommens - fast ein Jahr gebraucht, um das Leder aufzutreiben” berichtet Vuitton.
Das Steckenpferd der besonderen Art des Franzosen sind übrigens Koffer, die akribisch genau den Dimensionen der Gepäckfächer von Oldtimern angepasst sind. Dazu reist der Chef des Hauses dann auch schon mal persönlich zu seinen Kunden, um die Raumverhältnisse eines Vintage-Bentleys in Augenschein zu nehmen und die erlesene Ausführung der edlen Gepäckstücke im diskreten Gespräch festzulegen.
Die Regel des Hauses, das Produkt müsse einen Bezug zum Reisen haben, wird relativ großzügig ausgelegt. Der berühmte Dirigent Leopold Stokowski ließ sich 1936 einen mobilen Reisesekretär anfertigen. Auf speziellen Wunsch ist dieser Schreibtisch mit lederbezogenem Birkenholzgestell für ca. 26.000 Euro auch heute noch erhältlich. Genau wie ein transportabler Humidor mit dem Fassungsvermögen von immerhin 100 Havannas.
Egal, ob Sekretär, Humidor, Schrankkoffer, die anläßlich des Firmenjubiläums aufgelegte Gepäck-Collection Damier Géant, oder eine Sonderanfertigung - wann schenken Sie ihrer Frau einen einmaligen Kosmetikkoffer? - eins haben alle Produkte neben der Exklusivität gemeinsam: den dernier noed, den letzten Knoten. Trotz Handarbeit setzt Vuitton natürlich auch Nähmaschinen ein. Die letzte Naht wird jedoch nicht maschinell verriegelt. Das geschieht seit 150 Jahren durch die Hand eines Experten. Nicht nur, damit Kenner wissen, dass sie ein Original vor sich haben und nicht etwa eine schnöde Kopie aus Fernost, sondern auch aus ästhetischen Gründen. Keine Maschine kann so perfekt knoten wie die Hand des Fachmanns.