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Axel Voss - Freier Journalist

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Vor 50 Jahren startete der SFB den Sendebetrieb

 Erschienen am 25.5.2004 in der Rheinpfalz

“Achtung, Achtung, hier spricht Berlin!”

Mit dem Läuten der Freiheitsglocke und den Worten “Achtung, Achtung, hier ist Berlin!” des ersten Intendanten und Programmdirektors Alfred Braun nahm der Sender Freies Berlin vor 50 Jahren, am 1. Juni 1954 um 4.55 Uhr, seinen Sendebetrieb auf.
Zwar sendete der RIAS, der Rundfunk im amerikanischen Sektor, bereits seit 1946 ein Rundfunkprogramm und versorgte die Berliner mit musikalischer Unterhaltung, verschiedenen Ratgebersendungen und politischer Information, aber die Bevölkerung der Stadt wünschte sich schon einen eigenen Radiosender. Sicher, der RIAS war kein Propagandasender mit markigen Sprüchen, aber er war eben eine amerikanische Einrichtung, die die Zeichen der Zeit, und ganz besonders zu der Zeit, durch ihre eigene Brille betrachtete.
Eine gewisse Grundversorgung der Stadt stellte der Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR ebenfalls bereits seit 1946 sicher, aber die Berliner wünschten sich ihre eigene Station.
Otto Suhr, später Berliner Bürgermeister, hatte es 1950 in seiner Funktion als Präsident des Abgeordnetenhauses so formuliert: “Die Freiheitsglocke liefert das Pausenzeichen, die Berliner den Text und die Musik!”
Ein eigenständiger öffentlich-rechtlicher Sender sollte dem allmählich wiedergefundenen Selbstbewusstsein Berlins helfen, dem Freiheitsbestreben eine Stimme zu geben, die auch für den sowjetisch besetzten Ostteil der Stadt sprach.
1951 erging ein Senatsbeschluß, der zu einem Preisausschreiben führte. Die Berliner selbst sollten einen passenden Namen für den neuen Sender finden. 1. Preis immerhin 1000 Mark.
Die technischen Vorbereitungen verliefen ziemlich chaotisch. Noch gut eine Woche vor Beginn des Sendebetriebs reiste Wirtschaftsdirektor Otto Bach nach Dublin, um mit der irischen Rundfunkgesellschaft über die Mitbenutzung der Mittelwellenfrequenz 612 kHz zu verhandeln, da nur über UKW die Bevölkerung der DDR nicht erreicht werden konnte. Und die stand, neben den Berlinern, im Visier des Senders. In Berlin waren damals 730.000 Hörfunk- und gerade mal 3354 Fernsehteilnehmer angemeldet.
Über die Jahre hat sich der SFB stets einen erbitterten, dennoch fairen Kampf, um die Gunst der Hörer mit dem RIAS geliefert. Und der hatte zumindest bis zur Wende in der Beliebtheit die Nase immer ein wenig vorn. “Der SFB wurde nicht geliebt, höchstens einzelne seiner Sendungen”, sagt Florian Barckhausen, heute Chef der populären Musikwelle des SFB, Radio 88,8, der seine Karriere beim SFB 1969 als Volontär begann, indes zwischenzeitlich auch für den RIAS arbeitete.
Der SFB war im Vergleich zum RIAS immer ein wenig unkonventioneller, ja fast radikaler. RIAS stand für eher bürgerliches Radio. Beim jungen Publikum kam indes die Respektlosigkeit mancher Moderatoren und Redakteure des SFB besser an. Als in den 70er Jahren live über die Hausbesetzungen in Kreuzberg gesendet und dabei unverhohlen Sympathie mit dem friedlichen Teil der Szene gezeigt wurde, sprachen Kritiker nicht vom “Sender Freies Berlin” sondern vom “Sender für Besetzer”.
Aber der SFB war nicht nur unkonventionell, sondern auch höchst kreativ und innovativ. Bereits 1955 führte er Werbung im Rundfunk ein. Für die Übertragung der Weltmeisterschaft der Handballer 1958 aus Ostberlin stellte der Sender - mitten im Kalten Krieg- gemeinsam mit dem Fernsehen der DDR eine “Funkbrücke” her und im Dezember 1959 kommt zum ersten Mal das Sandmännchen für die Kinder im Fernsehen.
1961 wollte der Sender die erste Pressekonferenz des neuen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy möglichst schnell bringen. Direkte Schaltverbindungen zwischen den USA und Europa waren damals in akzeptabler Tonqualität noch nicht möglich, also wurde eine Filmaufzeichnung des NBC via Flugzeug nach Berlin transportiert.
Wenn man so will, darf der SFB auch als Pionier der Talkshow gelten. Der berühmte Theaterkritiker Friedrich Luft stand mit seiner legendären Hörfunkreihe “Die Stimme der Kritik” zwar beim RIAS unter Vertrag. Das hinderte die Fernsehleute des SFB aber nicht daran, 1962 die TV-Reihe “Das Profil” einzuführen, in der Luft Schriftsteller, Schauspieler und Musiker zum Gespräch einlud.
1967, als die Beat- und Rockmusik zu immer neuen Höhenflügen ansetzte, im Hörfunk aber kaum mit eigenen Sendungen und namhaften Musikexperten vertreten war, begann der SFB die legendäre tägliche Sendereihe “s-f-beat”.
1980 starte der Sender ein riskantes Unterfangen. Polit-Satire ohne redaktionell festgezurrte Texte. Pur und direkt aus dem Studio mit entsprechendem Sprengwirkungs-Risiko. Herausgekommen dabei ist eine der erfolgreichsten Satire-Sendungen der deutschen Fernsehgeschichte: “Scheibenwischer” von und mit Dieter Hildebrandt.
In Berlin leben fast eine halbe Million Menschen aus 182 (!) Nationen, von denen die meisten auch Rundfunkgebühren zahlen. Es war der SFB, der diese Tatsache zur Kenntnis nahm und 1994 seine Welle “Radio multikulti” gründete – ein Programm für die Welt. Rap aus dem Senegal, russische Country-Musik, Klezmer oder heiße Tango-Rhythmen aus Buenos Aires.
Als sich einige Jahre nach der Wende abzeichnete, dass zwei Landesrundfunkanstalten, der SFB und der ORB, nur einen Steinwurf voneinander entfernt, auf Dauer nicht gemeinsam überleben können, hatte das in erster Linie wirtschaftliche Gründe. ORB und SFB fusionierten vor einem Jahr zum Rundfunk Berlin Brandenburg – RBB. Auch in diesem neuen Sender ist das Vermächtnis des SFB unüberhör- und sehbar. Wie heißt es in Berlin so schön? Und das ist auch gut so!