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Der liebe Jott von Bonn
“Guten Abend, das Wetter.” Das war sein “Markenzeichen”. Exakt 1000 mal hat er sich so, immer freundlich lächelnd, von den Zuschauern der Fernsehsendung “Bericht aus Bonn” verabschiedet: Friedrich Nowottny, der am
16. Mai in seinem Haus in Swistttal (Rhein-Sieg Kreis) seinen 75. Geburtstag feiert. Als Reinhold Beckmann ihn in seiner Talkshow im Januar 2002 fragte, was ihm zu Rudolf Scharpings Wasserspielen einfiel, antwortete
Nowottny: “Wer sich an den Rand eines Beckens begibt, um die Füße zu waschen, und dann von der Dame ins Wasser gezogen wird, muss damit rechnen, dass mehr nass wird als nur die Badehose. Und er muss darauf achten,
irgendwann wieder trockene Haut zu bekommen – und trocken ist er heute noch nicht, trotz aller Bemühungen, im Wind schneller zu trocknen als mit dem Föhn!” Angesprochen auf Angela Merkels Rückzug als
Kanzlerkandidatin zu Gunsten Stoibers, meinte er trocken, Merkel sei eben eine gute “Lückenfüllerin” gewesen, in der “kritischsten Zeit”, die die CDU je erlebt habe. Mit spitzzüngigen Bemerkungen solcher Art
eroberte der im oberschlesischen Hindenburg geborene Nowottny die Herzen der Zuschauer, wie auch mit seinem berühmten Bonmot: “Wenn es Politikern die Sprache verschlägt, dann halten sie eine Rede!” “Humanität
gepaart mit List, Witz am Rande der Selbstironie, das treffende Wort, das sich schalkhaft harmlos zu tarnen versteht, tauglich zur Entlarvung von Phrasen und wolkigen Reden”, so sieht ihn der Rhetorikprofessor
Walter Jens. Zu Recht! Nach dem Krieg handelte Nowottny zunächst mit Anzugstoffen auf dem Schwarzmarkt, schlug sich dann als Telefonist und Dolmetscher für die britische Besatzungsmacht durch. Nur wenige
Menschen wissen, dass Nowottny großer Jazzfan ist und leidenschaftlicher Schlagzeuger war. “Diese Sache mit dem Schlagzeug verfolgt mich bis heute.” erzählt er grinsend der Rheinpfalz. “Ich bin ja noch gelegentlich
im Fernsehen. Besonders bei Talk-Shows verfolgt mich die Vorstellung, dass unerwartet aus der Kulisse ein Schlagzeug geschoben wird und Nowottny dann zur Gaudi der Zuschauer trommeln soll. Aber ich kann heute nicht
mehr spielen. Ich hab’s verlernt.” 1953 konnte er es noch. Damals spielte er in einer Musikkneipe gegenüber der Zentrale der Bielefelder “Freien Presse”. Einige Redakteure des Blattes waren regelmäßig Gäste der
Kneipe und halfen so dem Zufall ein wenig nach. Nowottny gelang es, einige Artikel für das Blatt zu schreiben und wenig später dort auch eine Stelle als Volontär zu ergattern. 1962 wechselte er zum Saarländischen
Rundfunk und war dort maßgeblich an der Schöpfung einer neuen Fernsehreihe beteiligt: “ Der Markt – Wirtschaft für jedermann.”, eins der ganz frühen wirtschaftspolitischen Magazine. Nowottnys große Stunde schlug
indes 1967 nach seinem Wechsel ins Hauptstadtstudio zum WDR, wo er den “Bericht aus Bonn” moderierte, später auch Studioleiter und Chefkorrespondent der ARD wurde. 1965 war Nowottny beim Saarländischen Rundfunk zum
stellvertretenden Chefredakteur aufgestiegen. War der Wechsel als einfacher Redakteur zum WDR nicht formal ein Abstieg? “Ich überlegte damals schon, ob es ein Abstieg war” so Nowottny zur Rheinpfalz und setzt sofort
nach “Hierarchisch war es wohl einer. Aber die Hierarchie interessierte mich nicht besonders. Der Platz interessierte mich. Bonn lockte, die Hauptstadt, dort fand die Politik statt, eine sehr aufregende und
atemberaubende Sache!” Von 1985 bis 1995 war Nowottny Intendant des WDR, der größten deutschen Sendeanstalt. Keine einfache Aufgabe, begannen zu Beginn seiner Amtszeit doch die privaten Fernsehsender den
öffentlich-rechtlichen Zuschauer abzujagen. Er hat die Aufgabe hervorragend gemeistert. Der Start des ARD-Frühstückfernsehens, der Lindenstraße, später von Eins Live und WDR Radio 5 fielen in seine Amtszeit. Und als
Vorsitzender der ARD von 1991 bis 1992 bereitete Nowottny die Fusion von Deutschlandfunk, RIAS Berlin und dem Deutschlandsender Kultur zum DeutschlandRadio vor. Nowottny hat sich nie vor den Karren einer Partei
spannen lassen, obwohl er keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Willy Brandt machte. Unvergessen ist sein Live-Interview, das er 1970 mit dem damaligen Bundeskanzler führte, und in dem Brandt ihn mit seinen
einsilbigen Antworten fast zur Verzweiflung brachte. Die Nähe zu einer Partei kam für Nowottny jedoch nie in Frage. Edmund Stoiber meinte einmal auf die Frage, wie es denn mit “Nahe-Stehern” unter
Fernsehjournalisten bestellt sei: “Nowottny sei eine eigene Partei.” Heute lebt Nowottny im Ruhestand. “Fast jedenfalls” berichtet er der Rheinpfalz “Ich habe keinen Hund, den ich Gassi führen muss, aber ich
halte regelmäßig öffentliche Vorträge. Für Radio Bremen mache ich jeden Freitag einen kurzen politischen Wochenrückblick im Hörfunk.” Der Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und Ordens wider den tierischen
Ernst heißt übrigens mit zweitem Vornamen Josef. Er hat diesen Namen offiziell nie geführt. Hätte er es getan, dann hätten Zuschauer, Politiker und Fernsehschaffende ihn sicher nicht Friedrich J. Nowottny genannt,
sondern viel treffender: “Friedrich Nowottny, der liebe Jott von Bonn!”
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