Axel Voss - Freier Journalist

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Walt Disney zum 100. Geburtstag

 Erschienen im Dezember 2001 in verschiedenen Regionaltageszeitungen

König der Tricks

Der amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury schlug ihm einst vor, er solle doch für das Amt des Bürgermeisters von Los Angeles kandidieren, da er allein den technologischen Weitblick besäße, um das Chaos der Mega-Metropole in den Griff zu bekommen. Walt Disney, der am 5. Dezember 2001 100 Jahre alt geworden wäre, erwiderte: “Wieso sollte ich Bürgermeister werden? Ich bin doch schon König!”

Diese arrogante Antwort skizziert den Pionier des Zeichentrickfilms und vermeintlichen Vater von Micky Mouse recht treffend. Zweifellos ist der Name Walt Disney Synonym für Zeichentrick und heile Welt. Und dafür, dass das Produkt, das ihn schmückt ‚für Kinder geeignet‘ ist. Untersucht man jedoch das Leben Disneys genauer, verblaßt der Stern des amerikanischen Märchenonkels zusehens. Da wären zunächst die erzkonservativen politischen Ansichten Disneys. Noch 1964, zwei Jahre vor seinem Tod, unterstützte er offen den Wahlkampf des ultra-rechten Republikaners Barry Goldwater, für den Rassentrennung immer noch ein Thema war. Und, um die künstlerische Pointe vorwegzunehmen: Disney hat nach 1926 keine Zeichnung für auch nur einen einzigen seiner zahlreichen Trickfilme angefertigt. Selbst die berühmte Signatur ‚Walt Disney presents‘ allgegenwärtig in jedem Vorspann, stammt nicht aus seiner Feder.Als Walt Disney 1966 starb, war er der letzte personifizierte Herrscher Hollywoods. Bei den anderen Filmfabriken, wie Paramount, MGM oder Warner, kontrollierten branchenfremde Firmen wie Versicherungen und Banken das Geschäft. Walt Disney war jedoch König seiner eigenen Traumfabrik. 240 Millionen Menschen in aller Welt sahen jedes Jahr einen Disney-Film, 800 Millionen lasen ein Buch oder einen Comic mit seinem Namen und gut 100 Millionen schauten der wöchentlichen Walt-Disney-Show im US-Fernsehen zu. Disneyland war ein Publikumsmagnet, und ein paar tausend Bauarbeiter werkelten am Bau von Disney-World, doppelt so groß wie Manhattan.Der Durchschnittsamerikaner kam am 5.12 1901 als dritter Sohn des Hilfsarbeiters Elias Disney in Chicago zur Welt. Dessen Vorfahren führten den Stammbaum bis in die Normannenzeit zurück. Die adeligen D’Isneys emigrierten zunächst nach Irland, später in die Neue Welt und strichen das ‚De‘ aus dem Namen. Elias erwarb in Kansas City eine sogenannte Zeitungsstrecke, einen Stamm von circa 2000 Abonnenten des ‚Kansas City Star‘. Walt und sein älterer Bruder Roy belieferten die Kunden täglich mit Zeitungen, ohne Lohn! 1916 hatte er die Nase voll von der väterlichen Ausbeutung und verdingte sich als Limonadenverkäufer im Santa Fé Expreß. Bruder Roy hörte den Ruf des Vaterlandes und diente als Soldat in Frankreich. In der Endphase des Krieges wollte auch Walt unbedingt zur Armee. Allerdings war er zu jung. Das Rote Kreuz nahm jedoch schon Siebzehnjährige und so kam auch Walt nach Frankreich. Als Sanitäter. Hier trat erstmals sein zeichnerisches Talent öffentlich in Erscheinung, als der junge Mann sich das Croix de Guerre mit Ölfarbe auf die Jacke malte. Das weckte Begehrlichkeiten. Auch seine Kameraden wollten sich mit dem falschen Orden schmücken. 10 Francs pro Orden, ein gutes Geschäft. Walt hatte als Zeitungsjunge die Comics im ‚Star‘ gelesen und sich an ihnen geübt. Für ihn stand fest: Er wollte Zeichner werden. Die Vorzeichen standen nicht schlecht. Durch Ersparnisse vom Sold und das einträgliche Ordengeschäft kehrte Disney mit 600 Dollar in die USA zurück. In Kansas City lernte er einen gewissen Ub Iwerks kennen. Dass diese Begegnung zum Schlüsselerlebnis seines Lebens werden sollte, ahnte Disney nicht. Die beiden jungen Männer kamen überein, ein Zeichenstudio zu gründen. Al Carter, Walts Nachbar, betrieb ein Restaurant, gab die ‚Restaurant News‘ heraus und beauftragte die beiden Jungunternehmer mit der graphischen Gestaltung des Blattes. Im Januar 1920 erschien eine Anzeige im ‚Kansas City Star‘. Die KSC - Kansas City Slide Company, eine Werbefilmgesellschaft, suchte einen Zeichner und bot das astronomische Gehalt von 40 Dollar pro Woche. Weit mehr als das Studio abwarf. Es stand jedoch nur eine Stelle zur Verfügung. Walt übernahm den Job, während Iwerk das Studio alleine weiterführen wollte. Ub erwies sich jedoch nicht als sonderlich kluger Geschäftsmann. Im März war das Studio pleite. Indessen beeindruckte Disney die Bosse der KSC mit guten Leistungen. Er produzierte einen Minifilm, ca. 1 Minute lang. Eine Art satirische Wochenschau, die er Laugh-O-Gram nannte. Zum ersten Mal sah Disney seinen Namen im Vorspann eines Films! Der Film kam sehr gut beim Publikum an und die Newman-Kinos in Kansas bestellten weitere Laugh-O-Grams. Disney verdiente gutes Geld, roch seine Chance und machte sich wieder selbständig und heuerte Ub Iwerk als Angestellten an. Das Unternehmen stand unter keinem guten Stern. Auch die New Yorker Pictorial Clubs bestellten eine Reihe Filme, aber die Firma ging Pleite bevor Disney sein Geld bekam. Bevor Disney das Studio 1923 schloß, konnte noch ein Film hergestellt werden: Alice’s Wonderland in Anlehnung an Lewis Carol. In dem Film spielte ein reales Mädchen vor einem gezeichneten Hintergrund gemeinsam mit gezeichneten Trickfiguren. Der Film sollte für Disney noch sehr wichtig werden. Momentan interessierte sich aber kein Mensch für den Streifen.
Disney sah ein, dass er in Kansas nichts werden würde. In der Filmbranche gab es ein magisches Wort: Hollywood! Zwar standen die wichtigen Zeichentrickstudios damals an der Ostküste, in New York. Wer aber in Amerika sein Glück machen wollte, der zog in guter Tradition gen Westen! Walt kam mit ganzen 40 Dollar in Hollywood an und hatte einfach das Glück des Tüchtigen. Es gelang ihm, Alexander Pantages, Besitzer einer Kinokette, mit der Idee seiner Laugh-O-Grams zu begeistern. Gleichzeitig schaffte es ein Agent, M.J. Winkler, einer Verleihfirma in New York ‚Alice’s Wonderland‘ schmackhaft zu machen. 1500 Dollar bot Winkler pro Film, falls Disney eine Serie aus dem Stoff machte. Walts Bruder Roy hatte zwar die Kosten für eine Musterrolle der Laugh-O-Grams vorgestreckt, sah aber ein, dass Winkler der aussichtsreichere Partner war. Am 16.12.1923 unterzeichneten Roy und Walt Disney ihren ersten Vertrag mit Winkler über die Produktion von zwölf Alice-Folgen. Das Datum gilt als Start der Disney Company. Einer der ersten Angestellten: Walts alter Kumpan Ub Iwerk. Er kam gerade zur rechten Zeit. Winkler wollte sich vom Vertrag loskaufen, denn die ersten sechs Folgen hatten in den Kinos gefloppt. Erst Nummer sieben wurde ein Erfolg. Und an dem Streifen wirkte Ub Iwerk maßgeblich als Zeichner mit. Der Vertrag mit Winkler wurde sogar zweimal verlängert. In mehr als drei Jahren drehten sie 60 Alice-Filme, dann lief sich die Serie sich tot. Eine neue Figur musste her. Walt ersann 1927 Oswald, das Kaninchen. Es war überaus erfolgreich. Aber Habgier betrügt die Weisheit, denn Winkler versuchte einige der Mitarbeiter von Disney heimlich abzuwerben. Mit bescheidenem Erfolg. Die Disneys indessen brachen mit Winkler. Zudem hielt Ub Iwerk ihnen die treue und Walt Disney dachte über eine neue Figur nach. Heraus kam 1928 eine Maus. Mickey Mouse. Gezeichnet hatte sie jedoch Ub Iwerk. Disney bestimmte lediglich die Persönlichkeit des kleinen Nagers. Grundstein für eine beispiellose Karriere. Die Maus mutierte zum modernen Jedermann, schlüpfte in jede nur denkbare Rolle. 1934 Figur mußte wieder eine neue Figur her. Sie hieß Donald Duck, keinesfalls gezeichnet von Walt Disney, sondern von Carl Barks. Der Hund Pluto, Schweinchen Schlau, Goofy, Onkel Dagobert, die halbe Bevölkerung von Entenhausen sollten folgen. Keine einzige Figur stammte aus Disneys Feder, sondern aus der seiner Mitarbeiter. Walt Disney wachte jedoch darüber, dass die Charaktere der Bürger von Entenhausen stets sauber blieben, sieht man einmal von der militanten Außenseiterrolle der Panzerknacker Bande ab.
Heute ist aus dem einstigen Trickfilmstudio ein internationaler Konzern geworden. Mehr als 120.000 Mitarbeiter erwirtschaften neben Filmen und Comics mit Schallplatten, 50 Radio- und Fernsehsendern, Vergnügungsparks in den USA, Frankreich und Japan gut 50 Mrd. DM Umsatz. Auch zum Wohl der Aktionäre. Wer 1945 beim Gang des Unternehmens an die Börse 2500 Dollar in Disney-Aktien investiert hätte, besäße heute ein Vermögen von mehr als 7 Millionen Dollar.
Das ist natürlich nur ein Klacks gegen den sagenhaften Reichtum von Onkel Dagobert, dem reichsten Einwohner von Entenhausen. Hier am zentralen Schauplatz vieler Figuren von Disney hat es vieles gegeben. Nur eins nicht: einen Bürgermeister.