Axel Voss - Freier Journalist

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Runter mit den Pfunden

 Erschienen in der Rheinpfalz vom 10.8.2000

Runter mit den Pfunden

Wer Speck mit Schlankheitsmitteln zu Leibe rücken möchte, sollte vorsichtig und kritisch sein. Häufig entpuppen sich die Aussagen der Werbung als heiße Luft und sind wissenschaftlich in keiner Weise haltbar. Und wenn die gewünschte Wirkung nicht einsetzt, Schlankheitsmittel also länger angewendet werden, stellen sich sogar gefährliche Beeinträchtigungen der Gesundheit ein. Dies gilt speziell für Appetitzügler. Zunächst sollten Sie jedoch feststellen, ob es aus medizinischer Sicht wirklich empfehlenswert ist, abzuspecken. Greifen Sie dabei nicht zu der Formel ‚Körpergröße in cm minus 100 minus 10%‘. Diese Berechnungsweise ist ein alter Hut und gilt wissenschaftlich als überholt. Prüfen Sie Ihr Gewicht anhand des sogenannten BMI. Dieser von amerikanischen Ernährungswissenschaftlern (BMI steht für Body Mass Index, zu deutsch Körper Masse Index) entwickelte Bewertungsmaßstab ist erheblich genauer und trägt zudem auch dem individuellen Körperbau viel besser Rechnung. Ihren BMI errechnen sie so:

1. Stellen Sie Ihr Gewicht in Kilogramm fest
2. Messen Sie Ihre Größe in Metern
3. Dividieren Sie das Gewicht durch das Quadrat der Körpergröße

Beispiel: Sie wiegen 59 kg und sind 1,60 m groß. Ihr BMI beträgt dann
59:1,60 im Quadrat (=2,56) entsprechend 23,04.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist ein BMI von 22-24 für Männer und 21-22 für Frauen erstrebenswert. Liegt Ihr BMI höher? Dann runter mit dem Speck. Aber Obacht!
Sie sind nicht totzukriegen, die Meldungen über ‚Sensationspillen‘ und andere Wundermittel. Sehr beliebt sind pseudowissenschaftlich aufgemachte Anzeigen mit fehlerhaften, vom Laien allerdings kaum nachvollziehbaren, Argumenten für die neue Schlankheitsformel. Sehr populär sind auch geheimnisvolle chinesische Pflanzenextrakte, gepaart mit sensationellen, meist amerikanischen,  Forschungsergebnissen mit unglaublichen Erfolgen. Der Haken: Diese Studien werden so gut wie nie genannt, etwa mit Angabe einer Literaturquelle, anhand der die Aussagen der Werbung zu überprüfen sind.
Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn Schlankheitsmittel mit der Aussage beworben werden, sie  beinhalten Stoffe, die Fett auflösen. Tatsächlich finden sich in solchen Mitteln fettspaltende Enzyme, was aber keinesfalls heißt, dass man bei Einnahme der Tabletten auch abnimmt. Das Gegenteil ist der Fall. Da solche Mittel die Aufspaltung des Fettes im Verdauungstrakt fördern, erhöht sich sogar die Bereitschaft zur Fettaufnahme. Verdauung ist die Zerlegung mit der Nahrung aufgenommener Substanzen mit Hilfe körpereigener (!) Verdauungsenzyme. Die so freigesetzten Bausteine gelangen durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf bzw. in die Lymphe. Von dort werden sie zu den Zellen transportiert, wo sie entweder zur Energiegewinnung verbrannt oder zu körpereigenen Substanzen aufgebaut werden. Mit anderen Worten, Muskeln sind der wirksamste Fettverbrenner, nicht der Darm und dort vorhandene Enzyme. Kein Nährstoff kann im Verdauungstrakt soweit abgebaut werden, dass keine Kalorien mehr übrig bleiben.
Das Enzym kann lediglich mit einem Werkzeug verglichen werden, und kein vernünftiger Mensch kommt auf die Idee, dass sich Nägel einfacher in die Wand schlagen lassen, je mehr Hämmer man in der Werkzeugkiste hat.
Besondere Skepsis ist bei Anzeigen angebracht, auf denen ein Herr im weißen Kittel zu sehen ist. Hier soll der Eindruck erweckt werden, es handele sich um einen Arzt. In der Bundesrepublik ist es jedoch verboten, für Arzeneimittel und Nahrungergänzungspräparate mit Medizinern zu werben. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass der gleiche ‚Arzt‘ mit unterschiedlichen Namen in verschiedenen Anzeigen zu sehen war.
Geradezu hanebüchen sind die sogenannten Schlankheitspflaster, die nach dem Motto “Aufkleben und die Pfunde verschwinden von selbst” angeboten werden. Das ist nichts anderes als ein dreistes Versprechen und liegt hart an der Grenze zum Betrug.
Obwohl die Verbraucherverbände inzwischen rigoros gegen die Hersteller und Anbieter solcher Mittel vorgehen, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Präparat auftaucht. Der Grund: Die Hersteller wissen ganz genau, dass ihr Produkt verboten werden wird, bauen aber auf die langsam mahlenden Mühlen der Justiz. Tritt das Verbot in Kraft, haben die Anbieter längst einen fetten Reibach gemacht.
Stutzig machen sollten Sie auch Erfolgsberichte mit den üblichen “Vorher-nachher-Fotos” oder Versprechen, dass eine Gewichtsabnahme in sehr kurzer Zeit erfolgen wird. Wäre Abnehmen so kinderleicht, gäbe es schon längst keine übergewichtigen Menschen mehr.
Äußerstes Misstrauen ist angebracht, wenn nach der beliebten Masche geworben wird: “Wenn Sie nicht mindestens yxz Pfund abnehmen, bekommen Sie Ihr Geld zurück”. Der Trick bei solchen Versprechungen: “Nur knapp 10% der Verbraucher trauen sich zu reklamieren, die große Mehrheit nicht. Wer möchte schon zugeben, dass das Mittel versagt hat, wo es doch  vielen Anderen geholfen hat.
Tatsächlich kommt es vor, dass bestimmte Präparate die Pfunde wie ein Wunder purzeln lassen. Aber auch hier gibt es den berühmten Haken. In einem Kilogramm Fettgewebe des menschlichen Körpers stecken rund 7000 Kilokalorien. Das entspricht ungefähr der Energiemenge für drei Tage leichter körperlicher Arbeit. Wenn die Pfunde purzeln, handelt es sich meist hauptsächlich um Flüssigkeits- d.h. Wasserverluste. Die aber zählen nicht beim eigentlichen  Ziel: dem Abbau des Fettdepots, und ratz fatz sind die Pfunde auch schon wieder da.
Seit einiger Zeit geistert Im Zusammenhang mit Gewichtsabnahme auch das Zauberwort Pu-Erh-Tee durch die Presse, Funk und Fernsehen. Über die medizinische Wirkung von Pu-Erh weiß man noch sehr wenig. Die in der Werbung zu findenden Aussagen sind wissenschaftlich nicht haltbar und eine appetitzügelnde oder gar fettabbauende Wirkung ist bei Pu-Erh-Tee noch nie nachgewiesen worden. Jetzt gibt es sogar Pu-Erh-Tee Kapseln. Sie machen auch schlank, allerdings vor allen Dingen den Geldbeutel des Verbrauchers.
Wer abnehmen will, muss seine Ernährung umstellen, d.h. die Energiezufuhr nachhaltig drosseln. Da Fett der Hauptlieferant für Energie ist, muss in erster Linie beim Fett gespart werden. Aber auch bei anscheinend völlig harmlosen Dingen liegt die Tücke im Detail.
So zum Beispiel der Brotkorb im Restaurant. Weißbrot mit Butter verführt zum Essen, ist aber total überflüssig. Abgesehen davon, dass Weißbrot kaum Ballaststoffe enthält, reizt das Mehl im Teig die Bauchspeicheldrüse zur Insulinproduktion, und die wiederum leitet die Gewichtszunahme ein.
Glauben Sie auch nicht dem vollmundigen Versprechen verschiedener Diätanbieter: “Für immer schlank”. Mit einem wirklichen Dauererfolg wäre das schöne Diätgeschäft ja bald vorbei. Machen Sie sich statt dessen klar, dass der Begriff Diät auf das griechische Wort diatia zurückgeht, und das heißt übersetzt soviel wie gesunde Lebensweise. Sich alleine nach einer bestimmten Diät zu ernähren, nur um die Pfunde loszuwerden, kann nicht sinnvoll sein. Die Gefahr, dass die Speckpolster nach Absetzen der Diät sofort zurückkehren, wäre zu groß.
Fazit: Schlankheitsdiäten, die nicht den Erfordernissen des Körpers und Ihren langfristigen Ansprüchen adäquater Lebensqualität entsprechen, taugen nichts. Eine gute und sinnvolle Diät sollte einen Lerneffekt beinhalten, d.h. Sie sollten bereits während des Abnehmens erkennen, wie Sie sich auf Dauer ohne unerwünschte Begleiterscheinungen ernähren können. In Gesundheitszeitschriften finden Sie unzählige Diäten und Ernährungsvorschläge. Nutzen Sie diese, aber nur dann, wenn Sie sie anhand unserer Checkliste (siehe Randnotizen) auf langfristige Alltagstauglichkeit geprüft haben. Alle Forderungen müssen erfüllt sein!

Kasten (Randnotizen)

    1. Realistische Zeitplanung. Viele Kilos in wenigen Wochen oder gar Tagen  abspecken ist Augenwischerei.
    2. Alltagstauglichkeit. Keine exotischen und teuren Lebensmittel, womöglich auch noch mit komplizierten Trennkost-Regeln. Berücksichtigen Sie Ihre Einkaufsmöglichkeiten.
    3. Abwechslungsreiche Auswahl der Lebensmittel. Wenn Sie sich drei Wochen nur von Bananen und grünem Tee ernährt haben, sind vielleicht ein paar Pfunde verschwunden, aber auch die Lebensqualität.
    4. Bedarfsgerechte Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen und Spurenelementen von A wie das gleichnamige Vitamin bis Z wie das lebensnotwendige Zink. Ausreichende Energiezufuhr: 1600 Kilokalorien sollten es langfristig pro Tag schon sein. Der Mindestumsatz hängt stark vom Arbeitsumfeld, bzw. der körperlichen Beanspruchung ab. Wer körperlich stark arbeitet, neigt zwar ohnehin weniger zu Übergewicht. Wenn dies trotzdem der Fall ist: kohlehydratreiche Ernährung in Absprache mit dem Hausarzt
    5. Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten. Die Diät muss wichtige Schutznährstoffe beinhalten. Auf jeden Fall:  Die Vitamine C, E und Beta-Carotin, dazu einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.
    6. Zu guter Letzt, aber trotzdem extrem wichtig: keine Aversionen. Wenn Sie keine grünen Bohnen mögen, diese aber von der Diät vorgeschrieben werden, dann freunden Sie sich mit dieser Diät am besten nicht an.

Literaturtipp
Prof. Dr. Michael Hamm: Schlank und gesund ohne Diät
Mosaik Verlag, München. 158 Seiten. 19,80 Mark
ISBN 3-576-105766